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Trauer und Bestattung in den Religionen

26 October 2017 | AB
In der Gedenkhalle der Pagode dürfen Urnen 49 Tage lang bleiben, bis sie bestattet werden.

Wie gehen Menschen verschiedener Religionen mit Trauer um? Wie erinnern sie an ihre Verstorbenen und was bedeuten Friedhöfe für sie? Wir haben Angehörige der Religionen in Hannover gefragt.

Muslime: „Der Tod wird bei uns gelebt.“

Das Ehepaar Şenay und Yasin Çelebi hat eines von zwei muslimischen Bestattungsunternehmen in der Region Hannover gegründet. Sie sind überzeugt, dass ihre Trauerkultur eine Stärke der muslimischen Community ist. „Der Tod wird bei uns gelebt“, sagt Yasin Çelebi: Wer trauert, ist nicht alleine. Im Islam gibt es viele religiöse Pflichten, die das sicher stellen, so genannte Kollektiv-Pflichen, die die ganze Gemeinde zu erfüllen hat: So muss der oder die Verstorbene von Personen des gleichen Geschlechts gewaschen und in weiße Leintücher gehüllt werden. Şenay Celebi gibt Kurse in ihrer Moscheegemeinde, damit die Gläubigen dieser Pflicht nachkommen können. Angehörige und Freunde wechseln sich dabei ab, die verstorbene Person zu Grabe zu tragen, und schaufeln das Grab nach der Beisetzung von Hand zu. Mehr zu muslimischen Bestattungen in Hannover lesen Sie hier.

Für gläubige Muslime steht fest: Gutes wie Schlimmes kommt von Gott. Deswegen lassen sie sich von ihrer Trauer nicht überwältigen. Weinen am Grab ist keine Schande, das zeigt auch das Beispiel des Propheten Muhammad. Aber kein Muslim soll mit der Entscheidung Gottes hadern, einen Menschen zu sich zu rufen.

Juden: „Im Judentum geht es um Gemeinschaft.“

Judit Marach engagiert sich ehrenamtlich in der Chewra Kaddischa (hebräisch: Heilige Bruderschaft oder Heilige Gemeinschaft) der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover. Sie wäscht die verstorbenen Frauen der Gemeinde und steht den trauernden Angehörigen zur Seite. „Im Judentum ist alles geregelt, auch das Trauern“, sagt sie lächelnd. In den ersten sieben Tagen sitzen die engsten Angehörigen „schiwe“: Sie lassen alles ruhen, vom Job über die Hausarbeit bis zur Körperpflege. Natürlich sind sie in diesen Tagen auf die Unterstützung von Freunden und Gemeindemitgliedern angewiesen. „Nach sieben Tagen setze ich ein körperliches Zeichen“, erklärt Judit Marach. „Ich gehe einmal uns Haus und bin wieder im Leben.“ Die folgende Trauer-Phase heißt Schloschim und dauert 30 Tage. Wenn ein Kind oder Elternteil stirbt, ist sogar ein ganzes Trauerjahr vorgesehen. Judit Marach findet das hilfreich: „Man darf trauern – und man darf auch wieder aufhören zu trauern.“

Die Waschung, Tahara genannt, ist eine letzte Ehre, die die Gemeindemitglieder der verstorbenen Person erweisen. Zum Schluss streuen sie ihr etwas Erde aus Israel auf die Augen oder legen ein Säckchen damit unter ihren Kopf. „Wenn der Messias kommt und die Toten auferstehen, dann ist die verstorbene Person gleich in Eretz Israel“, erklärt Judit Marach.

Mehr zum Thema Totenwaschung im Judentum und Islam und ein Interview mit Judit Marach lesen Sie hier.

Buddhisten: „Wir begleiten die Sterbenden in ihre nächste Existenz.“

Wer der Lehre Buddhas folgt, der übt schon zu Lebzeiten das Sterben ein. Meditationen wie die „Leichenacker-Betrachtung“ führen Buddhisten vor Augen, dass alles vergänglich ist. Im vietnamesischen Buddhismus, der größten buddhistischen Strömung in Niedersachsen, spielt das Erinnern an die Verstorbenen eine besonders wichtige Rolle. In der Pagode Vien Giac in Hannover gibt es eine Gedenkhalle, in der Fotos aller seit der Gründung Verstorbenen gezeigt werden. Hier dürfen Urnen 49 Tage lang aufbewahrt werden, bevor sie bestattet werden müssen. „Nach dem Glauben der vietnamesischen Buddhisten ist dies der Zeitraum bis zur nächsten Fort-Geburt“, erklärt der Heilpraktiker Ngo-Diep Ngo.

Vor den Bildern und Urnen richten die Familien Milch, Obst und Süßigkeiten an. Damit zeigen sie den Verstorbenen, dass sie weiter zur Familie gehören und nicht vernachlässigt werden. In diesen 49 Tagen führen die Angehörigen zusammen mit den Mönchen der Pagode alle sieben Tage lang eine Zeremonie durch. Die Mönche ermahnen die Familien, loszulassen, damit die verstorbene Person gehen und in ihre nächste Existenz wechseln kann.

Christen: „Das Ringen um Antworten macht Christentum aus.“

Die katholische Theologin Elfriede Kollarz kann viel erzählen über die Rituale rund um Tod und Sterben in ihrer Kindheit: Wenn eine bestimmte Glocke läutete, dann wussten alle, dass jemand verstorben war. Die Person wurde aufgebahrt und alle nahmen Abschied. Sechs Wochen nach dem Tod kam die Gemeinde noch einmal zusammen und feierte eine Messe im Gedenken an die verstorbene Person. „Tod und Sterben stellten kein Tabu dar. So haben schon die Kinder erfahren, dass der Tod zum Leben dazu gehört.“ Am Abend des Festes Allerheiligen (1. November) und an Allerseelen (2. November) besuchen und schmücken Katholiken die Gräber ihrer Verstorben auf dem Friedhof. Wo möglich, segnet ein Priester in einer feierlichen Prozession die Gräber. 

Zeremonien wie das 6-Wochen-Amt, wie Allerheiligen und Allerseelen in der katholischen Tradition ebenso wie der Ewigkeitssonntag (Sonntag vor dem ersten Advent) bei evangelischen Christen werden nach wie vor in Familien und Gemeinden gelebt. Doch haben sie große Verbindlichkeit für die christliche Gemeinschaft eingebüßt. Denn zum Christentum gehört, dass es nur wenige verbindliche Regeln für den Alltag gibt. Jeder muss seinen eigenen Weg zu Gott finden. „Christus hat gelehrt, dass es nicht reicht, einfach das Gesetz zu befolgen“, erklärt Elfriede Kollarz.

Hindus: „Nichts soll anhaften.“

Wenn ein Hindu stirbt, soll seine Asche am 31. Tag ins Meer oder in ein fließendes Gewässer gestreut werden. Hindufamilien in Deutschland entscheiden sich daher für eine Seebestattung. Wenn ein Mann stirbt, so ist es die Pflicht seines ältesten Sohnes, die Rituale durchzuführen. Stirbt eine Frau, ist der jüngste Sohn in der Pflicht. Wenn dies nicht möglich ist, sind andere Verwandten dazu verpflichtet.

 

„Es kann sein, dass im Sterbebett die Seele nicht gehen will, weil sie noch Aufgaben zu erledigen hat oder nach dem Tod, wenn sie plötzlich aus dem Leben gerissen wurde“ sagt Rajiny Kumaraiah, die als Hindu in Sri Lanka geboren wurde.

Doch es gibt einige Rituale, es die der verstorbenen Seele leichter machen sollen, in ihre nächste Existenz zu wechseln und auch den Angehörigen beim Abschied helfen. Das hier ist ein Beispiel dafür: Da die Seele das Haus nicht sofort verlässt, werden am siebten Tag die Lieblingsgerichte der verstorbenen Person dargeboten. Diese werden weit weg gebracht. Die Angehörigen gehen fort, ohne sich umzudrehen, um der Seele nicht zu begegnen. Bevor sie ins Haus zurückkehren, waschen sich vollständig, damit die Seele des Verstorbenen an ihnen nicht haften bleibt.

 

Bahai: „Den Tod gab ich euch als Boten der Freude.“

Die Bahai vergleichen den Tod mit einer Geburt: Die Seele legt den Körper ab und kehrt in die geistigen Welten Gottes zurück. Was sie erwartet, ist unvorstellbar für die Lebenden. „Unsere Aufgabe in diesem Leben ist, uns die geistigen Werte anzueignen, die wir im nächsten Leben brauchen“, erklärt Barbara Hennings vom Geistigen Rat der Bahai in Hannover.

Trauer passt daher eigentlich nicht zum Glauben der Bahai. „Den Tod gab ich euch als Boten der Freude. Warum seid ihr traurig?“, heißt es in der Offenbarung an Baha’ullah, den Stifter der Bahai-Religion. Da der Körper der Thron der Seele ist, gebührt ihm ein Sarg aus Kristall. In der Praxis entscheiden sich Bahai meist für ein anderes, möglichst festes Material wie hartes Holz oder Stein. Im Hamburg gibt es ein Gräberfeld für Bahai, wo sie in Richtung des Grabes von Baha’ullah bestattet werden können. (aba)

Noch mehr zum Thema Sterben, Tod und Trauer in den Religionen lesen Sie in unserem Buch "Religionen in Hannover".

Yasin und Şenay Çelebi haben ein Bestattungsunternehmen mit muslimischem Profil gegründet. Judit Marach führt das Totenhemd vor, in dem Jüdinnen und Juden bestattet werden. Ngoc-Diep Ngo bei einem vietnamesisch-buddhistischen Ritual für Verstorbene in der Pagode. Elfriede Kollarz hat ihr Motto in ihrem Büro beim Malteser Hilfsdienst an die Wand gehängt: "Ich lebe jetzt!" Rajiny Kumaraiah zündet eine Butterlampe für die Verstorbenen an. Barbara Hennings in ihrer Heimatstadt Bern.
Zuletzt geändert: 29.03.2018 - 13:44